Witwenrente abschaffen: Trolle attackieren Kanzlerkandidatin Baerbock

Die Hetze auf Annalena Baerbock (Grüne) steigt drastisch. Witwenrente abschaffen-Post ist Fake News. Die Kanzlerkandidatin will sich wehren. 

Update vom 7. Mai 2021 um 16:15 Uhr: Hamburg – Immer mehr Menschen suchen den Begriff „Annalena Baerbock Witwenrente abschaffen“. Doch auf den bekannten Nachrichtenportale lassen sich dazu keine Neuigkeiten finden. Was ist da los? Liegt hier etwa eine Verschwörung vor?

Es geht im Grunde um einen Facebook-Post, der in den sozialen Netzwerken die Runde macht. In diesem sieht es so aus als würde die Grüne Kanzlerkandidatin zitiert werden und von der Abschaffung der Witwenrente sprechen. Viele regen sich darüber auf. Es wird kommentiert und geteilt. Woher die Aussage kommt, wann und wo sie das gesagt haben soll ist unklar. Scheinbar handelt es sich um eine Troll-Attacke.

Ein Faktencheck von correctiv ergibt, dass es keine nachvollziehbare Äußerung von Baerbock zu Witwenrente oder Hinterbliebenenrente gibt. Das Ergebnis: Das Zitat ist frei erfunden. Trotzdem verbreitet es sich auf Twitter und Facebook weiter.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version war als Ursprung der falschen Nachrichten Twitter genannt. Correctiv konnte die Quelle aber auf einen Facebook-Post zurückverfolgen.

Baerbock: Jetzt wird’s dreckig – falsche Fotos und Fake News

Erstmeldung vom 6. Mai 2021:

Hamburg – Sie ließ sich hüllenlos fotografieren. Sie will Haustiere wegen des Klimaschutzes verbieten. Sie ignoriert die Corona-Maskenpflicht. Das alles sind Falschinformationen, die in der vergangenen Woche über Annalena Baerbock (Grüne) im Internet verbreitet worden sind. Die Zahl der Fake-News und Online-Angriffe auf die Kanzlerkandidatin und Parteivorsitzende habe eine „neue Dimension angenommen“, schimpfte der Wahlkampfleiter Michael Kellner. Doch die Partei werde zur Gegenwehr ansetzen, versprach er.

Deutsche Politikerin: Annalena Charlotte Alma Baerbock (Grüne)
Geboren: 15. Dezember 1980 (Alter: 40 Jahre) in Hannover
Privat: verheiratet, zwei Kinder, wohnhaft in Potsdam
Aktuelle Ämter: Bundesvorsitzende und Bundestagsabgeordnete

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Vor zwei Wochen hatte der grüne Bundesvorstand Baerbock gegenüber Co-Parteichef Robert Habeck den Vorzug gegeben und sie als Kanzlerkandidatin vorgeschlagen. Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass die Grünen mit einem eigenen Spitzenkandidaten in die Bundestagswahl ziehen. Baerbock ist dabei auch nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erst die zweite Frau, die sich um das höchste Regierungsamt bewirbt.

Annalena Baerbock (Grüne): Kanzlerkandidatin wehrt sich gegen gefälschte Fotos und Fake-News

Doch in ihrer neuen, exponierten Rolle bietet Baerbock für Frauenhasser, Rechtspopulisten und Internettrollen das perfekte Feindbild. Die grüne Frontfrau sei jung und liberal, weswegen sich viele Gegner „ohne Rücksicht auf die Wahrheit an ihr abarbeiten“ würden, warnte Viorela Dan, die an der Ludwig-Maximilians-Universität in München die Verbreitung von Fehlinformationen im Netz erforscht, in einem Gespräch mit t-online. In den kommenden Wochen und Monaten sei mit einer wachsenden Zahl an Beleidigungen, Verunglimpfungen und Hasskampagnen zu rechnen.

Opfer von Fake-News, Sexismus und Hetze im Netz: Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (Grüne). (24hamburg.de-Montage) © Friso Gentsch/dpa/picture alliance & Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Das Ausmaß ist bereits zu spüren. Erst beschimpfte sie Linkspolitiker Oskar Lafontaine ungeniert als Kriegstreiberin und sprach ihr als Frau und Mutter jegliche Kompetenzen ab. Dann teilten tausende Nutzer in den vergangenen Tagen in den sozialen Netzwerken ein vermeintliches Erotik-Foto, auf dem unter der Überschrift „Ich war jung und brauchte das Geld“ angeblich Baerbock zu sehen sein sollte. Aber alles Quatsch. Auf dem Bild ist Martina Mink, eine russische Erotikdarstellerin. Das hat die Rechercheplattform Corrective mittlerweile eindeutig belegt.

Ebenso in Luft aufgelöst haben sich die anderen Behauptungen. Weder ist Annalena Baerbock, wie bei Facebook und Twitter stoisch verbreitet wird, ihrem Parteifreund Habeck bei der Kandidatenkür ohne Corona-Maske um den Hals gefallen, noch haben die Grünen ein Haustierverbot gefordert. Auch das wurde von Corrective und der Nachrichtenagentur dpa widerlegt.

Annalena Baerbock: Sexismus und Frauenhass schlägt auf die grüne Kanzlerkandidatin nieder

Die Schmutzkampagne gegen Baerbock, die sich im Wahlkampf immer wieder skurrile und sexistische Fragen als Frau* anhören muss, ist dabei kein Einzelfall. Weltweit trifft die Verbreitung von Lügen im Netz vorrangig Frauen. So zeigt eine Studie des US-Forschungsinstituts Wilson Center, dass „sexualisierte und geschlechtsbezogene“ Onlineangriffe auf Politikerinnen stark zugenommen haben. Rund 440.000 Kommentare über 13 US-Politikerinnen wurden für die Analyse ausgewertet. Darunter befand sich auch die neue US-Vizepräsidentin Kamala Harris.

Frauen werden im Netz stärker angegriffen als Männer.

Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer der Grünen

Bei der Bundestagswahl tritt Baerbock als einzige Frau gegen zwei Männer an. Zwar gibt es auch viele Falschinformationen gegenüber Politikern. Aber kompromittierende Bilder von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet sucht man ebenso vergeblich wie Erotik-Aufnahmen von SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz. „Frauen werden im Netz stärker angegriffen als Männer – das gilt auch für unsere grüne Kanzlerkandidatin“, beschwerte sich Wahlkampfmanager Kellner. Baerbocks Erfolg in Umfragen, sogar im CSU-geprägten Bayern* wirbelt sie gewohnte Verhältnisse auf, macht sie bei Gegnern zudem unbeliebter.

Die Grünen, die auch insgesamt in den neuesten Umfragen mit Baerbock* vorne liegen, haben bereits reagiert. Parteiangaben zufolge wurde eine sogenannte Netzfeuerwehr gegründet. Parteimitglieder durchforsten nun gezielt das Netz, meldet Falschinformationen und schreibt unter Parteikennung eine Gegenrede unter die Fake-Beiträge. Der Task Force wird dabei in den kommenden Wochen die Arbeit nicht ausgehen. Der Wahlkampf steht erst am Anfang. Und je näher die Bundestagswahl im September rückt, desto mehr werden die Angriffe werden. Darüber sind sich alle Experten einig. * 24hamburg.de, tz.de und merkur.de sind ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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